Erlspitze via Nordgrat und Fleischbanktürme

2405 Meter

Karwendel

8. Juli 2017

Autor: Jürgen

 

Beschreibung:

Vom Parkplatz beim Krankenhaus Hochzirl (995m) über den Forstweg durch den Flieserwald zum Raddepot beim Oberbach (1.420m). Auf Steig zur Solnalm (1.644m) und zum Solsteinhaus (1.806m). An der Erlalm und östlich der Erlspitze vorbei über das Jöchl in das schöne Oberisskar und auf Steigspuren auf die Jochrinnerspitze (2.106m). Hinüber zum Oberissattel auf den Fleischbankgrat und kurzer Abstecher zur Fleischbankspitze (2.206m). Südwärts am Grat zu den Fleischbanktürmen. Den höchsten Punkt habe ich nicht erreicht, da ich nicht die ideale Route fand. Der AVF spricht von "leichten Umgehungen an der Ostseite" - dies ist definitiv falsch! Daher auf etwa halber Gratstrecke weiter Abstieg ostwärts in einer Rinne bis zum Kar und unter den Türmen querend hinauf zur Schneekluppenscharte nördlich der Erlspitze. In der Nordflanke hinauf zum Gipfel (2.405m). Am Klettersteig westwärts hinunter bis vor die Eppzirler Scharte, direkt im Höllkar hinunter und wieder zurück nach Hochzirl.     

 

Schwierigkeitsgrad: sehr schwierig (T6 / III / A/B bzw. D)

Steiler Forstweg mit Schiebestrecke zum Raddepot. Einfacher Steig zum Solsteinhaus (T2) und weiter in das Oberisskar (Übergang Jöchl T3). Weglos zur Jochrinnerspitze, und auf Steigspuren zur Fleischbankspitze (T5, zuletzt leichter). Die Fleischbanktürme sind lt. AVF III, mangels Steinmänner und extremer Unübersichtlichkeit (T6) machte ich nach einigen Absätzen, einer davon III- und sehr brüchig, kehrt. Der Grat ist eine ernste, brüchige Angelegenheit, keine sichtbaren Umgehungen an der Ostseite! Siehe dazu auch hier. Umgehung daher tief im Oberisskar zur Scharte und die Nordflanke hinauf zur Erlspitze (II, brüchig). Zirler Klettersteig A/B, mit Extra-Stelle D (kann umgangen werden), hinunter in das Kar und retour.  

 

Dauer: 7 Stunden

Höhenmeter: 1.960 Meter

 

Parkplatz:

Kostenfreier Parkplatz beim Landeskrankenhaus Hochzirl. 

 

Einkehrmöglichkeiten:

Solsteinhaus

 

Landschaft:   ******** (8/10)

Kondition:         ****** (6/10)

Anspruch:     ********* (9/10)



Der Fleischbankgrat in der Erlspitzgruppe: im Norden noch relativ zahm zwischen Maderkarl- und Samstagkarspitze, die Roman und ich im Mai 2016 erstiegen haben, wird er südlich der Fleischbankspitze zu einem wilden Ritt auf den Fleischbanktürmen. Der Nordgrat zur Erlspitze sowie der Klettersteig über den Westgrat bildet den Abschluß der Überschreitung. Zu jedem Zeitpunkt hat man ein unglaubliches Panorama in das Karwendel.

 

Ich starte nach den nächtlichen Regenfällen mit guter Wetterprognose beim LKH Zirl (990m).

 

Der Forstweg durch den schönen Flieserwald wird kurzzeitig sehr steil und zur Schiebestrecke. Meist ist der Weg aber gut fahrbar.

 

Die Zeitangabe wie immer etwas üppig, mit ca 1:30h ist aber trotz Radunterstützung von Hochzirl zum Solsteinhaus bei zügigem Tempo zu rechnen. Raddepot beim Oberbach (1.420m).

 

Weiter am Steig zur toll gelegenen Solnalm (1.644m). Von Nordwesten zog unerwartet nochmals eine Regenfront herein.

 

Um diese Uhrzeit noch nicht :)

 

Am malerischen Wanderweg im Kessel südlich der Erlspitze hinauf. Vor dem Solsteinhaus hält man auf den Großen Solstein zu.

 

Beim schönen Solsteinhaus (1.806m).

 

In die andere Richtung geblickt öffnet sich das innere Karwendel.

 

Ich schlage den schmalen Pfad Richtung Scharnitz ein.

 

Bei der Erlalm bittet mich der Hirte, einen Salzstein bis zum Jöchl mitzunehmen - mache ich gern. Er konnte mir bis auf ein "do geht fast niemand auffi" nicht wirklich Info zur geplanten Runde über die Fleischbanktürme geben.

 

Ostwärts ginge der Wanderweg zur Kristenalm hinab.

 

Der Weg hinüber zum Jöchl gibt einen ersten Eindruck von der Brüchigkeit in diesem Gebiet.

 

Rückblick vom Jöchl zu Erlalm und Solsteinhaus.

 

Hier setzt der Ostgrat der Erlspitze an (II lt. AVF).

 

Im Norden zieht über Hohem Gleiersch und Jägerkarspitzen die Regenfront durch. Ursprünglich wollte ich an diesem Tag auf den Katzenkopf. So hatte ich Glück und blieb trocken.

 

Am Jöchl wird der Blick auf das schöne, weitläufige Oberisskar frei. Rechts den grasigen Rücken hinauf zur Jochrinnerspitze, ich wollte die Fleischbanktürme von rechts nach links (Nord nach Süd) überschreiten.

 

Der Abstieg vom Jöchl ist etwas rutschig.

 

Wie immer, die Schafe haben an einsamen Wanderern einen Narren gefressen.

 

Blick von der Ostseite auf die Fleischbanktürme. Erste Zweifel kamen auf, wo denn die "leichten Umgehungen an der Ostseite" denn sein könnten. Es sieht eher nach tiefen Abstiegen herunter ins Kar aus.

 

Die Jochrinnerspitze erklimmt man über einen gutmütigen Grasrücken.

 

Mit sehr schöner Sicht auf die Nordseite der Erlspitze. Rechts die Schneekluppenscharte, an der der Nordgrat ansetzt.

 

Tief unten die Kristenalm (1.348m).

 

Die Jochrinnerspitze (2.106m) ist ein unscheinbarer Graskopf ohne Gipfelkreuz. Links vorgelagert der Zischgenkopf (1.936m).

 

Gegenüber Fleischbankspitze (2.206m, links) und Samstagkarspitze (2.196m).

 

Der Übergang von Jochrinnerspitze zum Oberissattel, an dem man den Fleischbankgrat betritt.

 

Rückblick auf Oberisskar und Jöchl.

 

Am Oberissattel wird der Blick auf den westlichen Teil der Erlspitzgruppe frei, u.a. auf die Reither Spitze.

 

Kurzer nördlicher Abstecher zur Fleischbankspitze, unmarkiert aber gute Steigspuren (I).

 

Markantes Kar nördlich der Jochrinnerspitze.

 

Richtung Fleischbankspitze wird der Grat immer gutmütiger. Links im Hintergrund taucht das Wetterstein mit Öfelekopf und Wettersteinwand auf.

 

Die Fleischbankspitze (2.206m) ist ein flaches, ebenfalls unscheinbares Köpfl.

 

Richtung Norden der Grat zu Samstagkar- und Maderkarlspitzen, mit dem unangenehmen, schrofig-plattigen Aufschwung von der Samstagkarscharte.

 

Richtung Südosten die Nordwände der Inntalkette, u.a. mit der Vorderen Brandjochspitze, der Hohen Warte, den Solsteinen sowie der nördlich vorgelagerten einsamen Hippenspitze, die wir allesamt schon auf unserem Portal beschrieben haben.

 

Ich studiere den Weiterweg Richtung Süden. Der Nordgrat zur Erlspitze schaut nicht allzu diffizil aus.

 

Was man rein optisch von den vorgelagerten Fleischbanktürmen nicht behaupten kann. Mit ziemlichem Respekt nähere ich mich den wilden Türmen.

 

Also: zurück zum Oberissattel und über die ersten paar Hindernisse ohne Schwierigkeiten drüber. Ein erster hoher Turm stellt sich mir in den Weg. Ich folge der Empfehlung des AVF und finde tatsächlich eine "leichte ostseitige Umgehung" auf so etwas wie Steigspuren. Es war jedoch die letzte einfache Stelle.

 

Der Grat steilt markant auf, und ich versuche möglichst auf diesem zu bleiben.

 

Ein Tanz auf rohen Eiern, alles brüchig. Im Bereich der Schuttauflage auf einmal ein über 10m hoher Abbruch. Daher etwas zurück und östlich Umgehung suchen.

 

Wilde Formen in einem Wechselspiel aus steilem Gras und brüchigen Geschröff. Sehr abenteuerliche Umgebung.

 

Weit und breit kein Steinmann oder Trittspuren. Ich suche nach der "leichten Umgehungsmöglichkeit" - Fehlanzeige.

 

In sehr brüchigem Gelände taste ich mich vor, bei diesem sehenswerten Geplätt wieder hinauf zum Grat.

 

Der umständlich umgangene Gratturm, auf dem ich vorher oben stand. Für mich im Abklettern deutlich mehr als III, vor allem wenn jeder Griff und Tritt sofort zerbröselt.

 

Ich klettere eine weitere Scharte ab (III-, brüchig) und stehe vor diesem Aufschwung. Ich vermute oben den höchsten Punkt der Fleischbanktürme (2.216m). Der Aufstieg sieht machbar aus - da ich aber nicht weiss wie es dahinter wieder hinunter geht und meine Nerven von den vorigen Abklettereien schon etwas strapaziert sind, entschließe ich mich zur großräumigen Umgehung über das Oberisskar.

 

Sehr steil und brüchig suche ich in voller Konzentration einen Abstieg und finde später eine schöne Rinne in das Oberisskar (II).

 

Diese Rinne hat mich ausgespuckt.

 

Am oberen Karrand geht's den Felsen entlang Richtung Schneekluppenscharte.

 

Mehrmals schaue ich staunend auf die wilden Türme oberhalb. Fast magisch hat es mich diese Rinne wieder hinaufgezogen, um zu sehen wie es oben weiter gehen würde. Ich ließ es aber sein, das Karwendel hat mir für heute ordentlich die Zähne gezeigt.

Kleiner Exkurs: Wieder zeigt sich: die Solo-Begehung einer unbekannten Route, die (ungesichert) am oberen Ende der persönlichen Schwierigkeitsskala liegt, ist mental deutlich schwieriger als eine Begehung im Team. Soweit klar. Dies bedeutet aber auch, dass die Grenze, bei der man sich subjektiv noch sicher fühlt, herabgesetzt ist, und ich im Alleingang tendenziell weniger Risiko eingehe. Umso wichtiger ist es daher bei Begehungen mit Kollegen, deren Risikobereitschaft zu kennen. Roman und ich verstehen uns diesbezüglich blind. Das Beobachten und Selbst-Erfahren dieser instinktiven Reaktionen in Streßsituationen ist für mich ein besonders spannender Aspekt des Bergsports.

 

Kurz vor der Scharte mit diesem sehenswerten Gratturm.

 

Sofort erkunde ich den südseitigen Einstieg der Fleischbanktürme. Sieht von hier nicht so schlecht aus, vor allem westseitig etwas weniger ausgesetzt.

 

Nächste Etappe ist der Nordgrat zur Erlspitze: durch diesen Kamin nach oben (II).

 

Der Kamin hat festen, gut gestuften Fels.

 

Der Nordgrat ist kein Grat, sondern eine breite, sehr brüchige Flanke.

 

Im oberen Teil der ca. 200 Höhenmeter dann ein paar festere Felsen. Ich visiere den direkten Anstieg zum Kreuz an (II+), 10m rechts davon ginge es leichter.

 

Kurz vor dem Gipfelkreuz Rückblick zu den Fleischbanktürmen. Selbst von oben ist das Gelände extrem unübersichtlich.

 

Auf der Erlspitze (2.405m). Rundum-Panorama in das innere Karwendel.

 

Rückblick auf den Nord"grat". Kein wirklicher Klettergenuß.

 

Vom Gipfel gibt's mehrere Abstiegsmöglichkeiten. Ich nehme den westseitigen Zirler Klettersteig (A/B).

 

Beim Abstieg hat man den beeindruckenden und sehr empfehlenswerten Ostgrat der Kuhljochspitze vor Augen (II). Der Übergang von Kuhljoch- über Kirchl- zur Erlspitze ist auch eine lohnenswerte Überschreitung.

 

Ich nehme noch den sehr zackigen Pfeiler mit der D-Stelle mit. Unbedingt KS-Set erforderlich, extrem ausgesetzt!

Der Rest des Klettersteigs liegt im einfachen Bereich (A/B). Die Umgebung ist phantastisch.

 

Die wilde Westseite der Erlspitze.

 

Die Tour hat mich so gefordert, dass nur einziges Selfie mit ziemlich verdattertem Gesichtsausdruck zustande kam. Die Tour ist keinesfalls zu unterschätzen, hat mir aber entgegen meiner skeptischen Mimik auch sehr viel Spass gemacht!

 

Vor der Eppzirler Scharte nehme ich den Direktabstieg mit schöner Reisen-Abfahrt in das Höllkar.

 

Rückblick in das Höllkar und zur überschrittenen Erlspitze.

 

Der Große Solstein bei bestem Wetter. Das Gebiet eignet sich auch für eine tolle Skitour.

 

Ich genieße den Ausblick bei der Solnalm und trete den Rückweg nach Hochzirl an. Fazit: eine höchst abenteuerliche, rustikale Karwendel-Tour! Die Fleischbanktürme nehme ich das nächste Mal mit Begleitung in Angriff.

 


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Kommentare: 2
  • #1

    Stefan Gordon (Mittwoch, 20 September 2017 21:04)

    Servus,
    der von dir vermutete höchste Punkt der Fleischbanktürme liegt noch ein Stück weiter südlich und ist von der Schneekluppenscharte recht bald erreicht, wenn auch im bekannt grauslig-brüchigen Gelände. Ich bin die Überschreitung einmal in umgekehrter Richtung gegangen, mußte aber bei dem von dir fotografierten Abbruch die Gewitter-Flucht durch eine westseitige Rinne antreten. Bei besagtem Abbruch wäre es senkrecht und sehr schwierig hinunter gegangen, dort ist aber sogar ein alter Haken gesteckt. Bis dorthin war die Kletterei abenteuerlich, die schweren Stellen immer abzuklettern und durch die enorme Brüchigkeit gefärlich und zeitraubend - also kaum eine "anregende Kletterei", wie der AVF schreibt. Ostseitige Umgehungen gibts dort keine, wenn dann westseitig.
    Lg, Stef.

  • #2

    juergen (Dienstag, 26 September 2017 19:19)

    Servus Stefan, interessante Infos, danke! Dann war die Entscheidung dort abzubrechen nicht ganz verkehrt. Wenn, dann werde ich das ganze jedenfalls wieder von Nord nach Süd probieren. lg