Hohe Villerspitze bis Lüsener Villerspitze Gratüberschreitung & Schafgrübler

3087 / 3027 / 2922 Meter

Stubaier Alpen

13. September 2020

Autor: Jürgen

Mit auf Tour: Holger

 

Beschreibung:

Lang stand die Überschreitung der Villerspitzen auf dem Wunschzettel, umso schöner das Erlebnis: von Lüsens (1.634m) über die Spielgruben ins Große Horntal und zum Horntaler Joch (2.812m). Abstecher auf den Schafgrübler (2.922m). Zurück zum Joch und über den Grat zum Gipfelaufbau der Hohen Villerspitze. Via "Schiefem Gang" zur Gipfelrinne, oben Ausstieg im linken Ast und rechts über den Grat zum Gipfel (3.087m). Nun immer am halbkreisförmigen Grat mit nur kleinen Umgehungen nordwärts zur Lüsener Villerspitze (3.027m). Abstieg zum Hochgraffljoch (2.683m), hinab in das Schönlüsenstal und zurück nach Lüsens.

 

Schwierigkeit: sehr schwierig (T6/II)

Anhaltend herausfordernd vom Einstieg beim Hochgraffljoch bis zur Lüsener Villerspitze. Neben vielen wunderschönen Kletterstellen ist uns die erdig-abschüssige Passage im ersten Gratdrittel in Erinnerung, deren seilfreie Begehung aus unserer subjektiven Sicht nicht unriskant ist. Wir haben das Seil ausgepackt, weil die Haltbarkeit der Tritte aus unserer Sicht nicht gewährleistet war - muss jeder für sich selbst entscheiden. An einigen Stellen sind wir im Gegensatz zu anderen Berichten direkt an der Gratkante geblieben (bis III).

 

Dauer: 8:30 Stunden

Höhenmeter: ca. 1.900 Meter

 

Parkplatz:

Alpengasthof in Lüsens.

 

Einkehrmöglichkeiten:

Alpengasthof Lüsens

 

Landschaft:  ********** (9/10)

Kondition:        ******** (8/10)

Anspruch:         ******** (8/10)



Mit Sicherheit eines der Highlights im Hikalife-Bergjahr 2020: die Überschreitung der Villerspitzen im Angesicht der Stubaier Gletscherriesen. Die Hohe Villerspitze ist für sich genommen schon eine äußerst lohnende, anspruchsvolle Tour, die Überschreitung des langen Grats zur Lüsener Villerspitze das Sahnestück. Umso schöner, dass mich Holger an meinem Geburtstag begleitet hat.

 

Da wir um 19:00 Uhr eine Truppe zum gemeinsamen Anstoßen und Abendessen bestellt haben, brechen wir erst spät gegen 9:30 Uhr von Lüsens auf. Heute immer mit dabei: der Lüsener Fernerkogel.

 

Sehr bald zweigen wir links ab. 4h steht der Schafgrübler angeschrieben, dieser wird jedoch nur die Ouvertüre für den Rest des Tages sein.

 

Eintritt in die wundersame Berglandschaft. 

 

In der Spielgruben zweigen wir rechts ab Richtung Horntaler Joch und queren die grasige, steile Westflanke der Villerspitzen.

 

Nach rund 1h treten wir in das Große Horntal über. Nachgehern sei gesagt, dass dies keine Quickie-Bergtour ist. Die Dimensionen des Horntals (und später jene des Grats) sind nicht zu unterschätzen. Mittig hinten der Schafgrübler, rechts Pkt. 2.787m.

 

Das Peloton reißt auseinander. Ich rufe Holger zu, dass ich noch den Schafgrübler dranhänge und wir uns dann wieder am Joch treffen.

 

Horntaler Joch (2.812m). Unmittelbar dahinter setzt der Süd(west)grat der Hohen Villerspitze an.

 

Einmal umgedreht. Völlig anders die Charakteristik des Schafgrüblers. Es dauert keine 10 Minuten dort rauf, doch auch für diesen Gipfel ist Trittsicherheit von Vorteil.

 

Geburtstagsgipfel #1, der Schafgrübler (2.922m) mit seinem schönen hölzern-löchrigen Gipfelkreuz. 4h habe ich dann doch nicht gebraucht.

 

Der Hauptgrund für den Schafgrübler: die Frontalansicht der Hohen Villerspitze - wow! Man steigt am Südgrat an den Gipfelaufbau heran und dann leicht linkshaltend durch die hier schattige Rinne zum Gipfel. Dann vom Gipfel nach links über die unzähligen Türme nach ganz links hinten zur Lüsener Villerspitze.

 

Nun aber zurück zum Joch. Helm drauf, Kletterhandschuhe an, und los geht's ins Abenteuer. Man beachte die Inschriften der Erstersteiger auf den Felsen.

 

Holger kennt die Hohe Villerspitze schon von mehreren Touren, wobei er das Kunststück geschafft hat noch nie wirklich auf dem Normalweg zu bleiben.

 

Genau diesen Normalweg visieren wir heute an, absolut förderlich für beste Laune!

 

Gelb-rote Markierung, die Zustiegslinie ist logisch.

 

Die Tour verträgt keine Nässe. 

 

Langsam kommt Struktur in die Sache. Der im unteren Bildteil von rechts nach links oben verlaufende Riss ist noch nicht der "Schiefe Gang".

 

Wir umgehen einen scharfen Gratteil, bevor dieser an das Hauptmassiv andockt. Bei einer Gedenktafel klettern wir in eine kleine Scharte und ...

... stehen nur vor dem berüchtigten "Schiefen Gang". Es steht alles zu lesen von "Horror" bis "besserer Steig". Wir finden: ausgesetzt, aber breit genug um bequem Schritte zu setzen.

 

So schaut's beim Blick nach unten ins Gr. Horntal aus.

 

Im Mittelteil des Schiefen Gangs gibts eine kleine Kletterstelle (II-). 

 

Nach der Kletterstelle kann man durchaus den Eindruck eines "Steiges" bestätigen. Ohne Schwindelfreiheit hat man hier aber nichts verloren.

 

Rasch sind wir durch und biegen rechts aufwärts in die Gipfelrinne ein. Sehr guter Fels, vor uns die II+ Stelle. Für uns hat am gesamten Anstieg absolut der Genuss überwogen. Runter wäre es natürlich nicht so fein, sollte aber bei Trockenheit und vorsichtigem Tempo ebenso gut machbar sein.

  

Rückblick. Schwindelfreiheit obligatorisch, eh klar.

 

Oberer Teil der Rinne. Der markante Zacken teilt die Rinne in zwei Äste. Ich gehe links, Holger testet die rechte Rinne an die aber rasch sehr schwierig wird. Es gibt noch eine Variante weiter rechts hinaus in die Schrofen, siehe informativen Bericht von Rainer und Simon, die ein Monat vor uns dran waren. Wer bei uns nicht alle nötigen Details findet, Rainer hat das volle Angebot.

 

Viel mehr als 50 Höhenmeter sind es nicht mehr zum Gipfel.

 

Hohe Villerspitze (3.093m), Geburtstagsgipfel #2 und eines der markantesten Gipfelziele der Stubaier Alpen. Und zu sehen gibt es eine ganze Menge.

 

Wir inspizieren den Grat hinüber zur Lüsener Villerspitze. Nach den erlebnisreichen ersten 3,5h packen wir den eigentlichen Höhepunkt an. Auch für diesen Grat schwanken die Beschreibungen zwischen "solider IIer" und deutlich deftigeren Charakterisierungen.

 

Wir beginnen den Abstieg von der Hohen Villerspitze (I) und passieren nach diesen Zacken die Zustiegsscharte. 

 

Wie empfohlen, umgehen wir den ersten anschließenden Gratbuckel im steilen Felsgelände. Am Grat selbst würde eine schwierige, abschüssige Abkletterstelle warten. 

 

Dieser Gratkopf wäre ohne Umgehung direkt abzuklettern (mind. III).

 

Rückblick auf den ersten Gratbuckel, man erkennt das Gipfelkreuz der Hohen Villerspitze auf scheinbar selber Höhe. Die Umgehung erfolgt östlich / links. Der markante Zacken links oben gehört zum Ostgrat der Hohen Villerspitze, vermutlich die häufig genannte Abseilstelle.

 

 

Zahlreiche Abklettereien, zuviele um sie einzeln zu beschreiben. Luftig, aber nirgends über II.

 

Alles gut strukturiert, macht richtig Spaß.

 

Die Färbung ändert sich und wir stehen unvermittelt vor einem hohen Abbruch. Direktes Abklettern nicht möglich. Anfangs probieren wir eine tiefere Umgehung rechts, doch an den abschüssigen, glatten und teils feuchten Platten war auch bald Schluss. Also nochmals hinauf zum Grat.

 

Ein Schlinge über einem Kamin markiert den richtigen Verlauf. Holger packt das Dyneema aus, wir sichern an einem soliden Köpfl über die wackligen, in Erde eingezimmerten Felsen (im Bild links unten) und steigen höchst vorsichtig auf den lockeren Tritten ab. Die Stelle ist klettertechnisch nicht erwähnenswert, aber unserer Meinung nach alles andere als risikolos. Wenn sich die Brocken lösen, saust man senkrecht hinab zum Fotscher Ferner.

Kurz danach exponiertes Abklettern in der Westflanke (II+).

 

Hier wieder deutlich festerer Fels.

 

Die Passage im Rückblick, man erkennt gut das abwärts geschichtete und von vielen Fugen durchzogene Gestein. Hier hatten wir die (für uns) unangenehmsten Stellen hinter uns.

 

Tolle Formen.

Es wird freundlicher. Wir nähern uns dem Grat-Tiefpunkt.

 

Plattiger Aufschwung. Ist fester als es scheint, am besten an der Rippe rechts der Bildmitte nehmen.

 

Holger steigt nach. OK, ganz fest ist es nicht, also karwendeltypische Vorsicht.

 

IIer Turm. Ganz großes Stubaier Kino an diesen Aufschwüngen.

 

Gr. Horntal von oben.

 

Nun wird es tatsächlich sanfter, bis hierhin 1:10h am Grat unterwegs. Ein bisschen Reibungskletterei und einige kleinere Senken folgen. 

 

20 Minuten tut sich nicht viel, doch jetzt nähern wir uns der schönsten Sequenz, im wesentlichen zwei hohe Aufschwünge hinauf zur Lüsener Villerspitze.

 

Stabilster Fels, II, ist das nicht herrlichste Gratkletterei?

In Bildmitte taucht die 'Osterinselfigur' auf, wirkte in Natura kleiner als ich es erwartet hatte. Es gibt hier 3 Möglichkeiten: 1. unterhalb des kleinen gerundeten Daches rechts auf schmalem Grasband hinaus, 2. etwas nach rechts hinein aber noch vor dem Dach durch die Verschneidung nach links oben oder 3. fast direkt an der Gratkante. 

 

Wir bleiben erst einmal an der Kante und lassen das schmale, luftige Grasband rechts liegen.

 

Wir entschieden uns dann an der Kante zu bleiben und bei dem Überhang in Bildmitte einen kleinen Schlenker nach rechts zu machen. In Summe III, bombenfest. Weiter rechts eher II, dann aber teils moosig.

 

Die letzten Aufschwünge, man hält sich tendenziell links vom Grat.

 

Zuletzt quert man über den Grat und steigt halbrechts steil zum Gipfel an (II).

 

Die letzte steile Partie ... 

 

... zur Lüsener Villerspitze (3.027m), Geburtstagsgipfel #3, den wir nach ziemlich genau 2h erreichen.

 

Der gesamte Grat im Rückblick. Von dieser Seite ist die Charakteristik deutlich besser zu erfassen also von der Hohen Villerspitzen.

 

Zwei kleine Menschen am großen Gipfel der Lüsener Villerspitze.

 

Es ist 15:30 Uhr, mehr als genug Zeit bis zum Abendessen. Wir steigen über die Platten am Normalweg ab.

 

Mit Konzentration und Reibung kein Problem, man sollte diese Querung aber nicht unterschätzen. 

 

Nach dem letzten Gratturm nur mehr Gehgelände. Wir müssen hinunter bis knapp vor das Hochgraffljoch (2.693m). Ganz Ausdauernde könnten jetzt den Grat weitergehen über Hohe Röte, Gallwieser Mittergrat, Rotem Kogel etc.

 

Uns genügt es aber. Durch das Schönlüsenstal hinaus nach Lüsens ist es weit genug.

 

Das Feld reißt wieder weit auseinander. Ein wunderbares, tiefes Wohlgefühl stellt sich ein, umso schöner nach fordernden gemeinsamen Touren und an so einem herrlichen Spätsommerabend.

 

Frühstücken mit der Familie, den Tag am Berg, Abendessen mit Freunden - ein feiner Geburtstag!

 

Es wird Abend über dem Fernerkogel. Etwas vor 18 Uhr kommen wir nach 8,5h wieder in Lüsens an. Die letzte Challenge wartete dann bei der wahrlich erfrischenden 'Bergsteigerdusche' am eiskalten Gletscherbach. 

  

Erfrischt und (halbwegs) sauber kommen wir pünktlich unserem Treffen, stilecht bei den 'Wildwochen' im Ghf. Ruetz in St. Sigmund. Zum wiederholten Mal alles zu unserer besten Zufriedenheit, unbedingte Empfehlung zur Einkehr! Besonderen Dank für die Bewirtung und die 'Zwieselbacher-in-grün'-Torte!

 


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Kommentare: 1
  • #1

    Toni (Freitag, 01 Januar 2021 20:04)

    Danke für den super aufschlußreichen Bericht! Liest sich in der Tat freundlicher als fast alles andere im Netz zu diesem Grat. Ich wünsche Dir und Euch auch heuer wieder von jeder Tour xund heim zu kommen. SG Toni