Kirchdachspitze & Torsäule

2840 / 2645 Meter

Stubaier Alpen

14. Juli 2018

Autor: Jürgen

Mit auf Tour: Nelli

 

Beschreibung:

Von Gschnitz (1.242m) entlang des Bachbetts in den Wald und weglos in eine Latschenrinne. In dieser prägt sich ein unscheinbarer Jagdsteig bis zum markanten Latschenkopf aus (1.810m). Über eine seichte Schuttrinne in die Untere Bockgrube und mühsam bis vor das Kirchtürl (ca. 2.350m). Einstieg in die markante Rinne in der SW-Wand der Torsäule, aufwärts zu einer Gratschulter und im rechten Rinnenast über mehrere Steilstufen aufwärts. Im oberen Teil vereinigen sich die Schluchten, über brüchige Schrofen zum Grat und in wenigen Minuten zur Torsäule (2.645m). Wieder zurück und am Südgrat über mehrere Aufschwünge, zwei größere Abbrüche umgehend, zur Kirchdachspitze (2.840m). Abstieg über den Normalweg zum Silbersattel (2.750m),  zum Padasterjochhaus (2.232m) und auf dem Herrensteig nach Trins (1.235m). Retour nach Gschnitz per Autostopp.

      

Schwierigkeitsgrad: sehr schwierig (T6/III+)

Zum Kirchtürl meist weglos, aber unschwierig (T4). Anstieg zur Torsäule sehr brüchig. Routenbeschreibung und v.a. die Bewertung II lt. AVF sind aus unserer Sicht nicht stimmig. Erste Rinne III-. Die Rampe, mit der der Steilabbruch in der im Aufstiegssinn linken Schlucht umgangen werden kann, konnten wir nicht ausmachen. Im rechten Ast an einer Steilstufe mind. III+, diverse weitere IIIer und IIer Stellen, oben steile Schrofen. Von einem seilfreien Abstieg auf unserer Route raten wir ab! Grat zur Kirchdachspitze in Summe einfacher, Gehgelände und einige Aufschwünge bis II. Ein hoher Abbruch erfordert eine tiefe, brüchige Umgehung. Letzter Steilaufschwung zur Kirchdach III-, gleich danach II+. Abstieg zum Padasterjochhaus versichert (T4). 

 

Die einfachere Variante zur Kirchdachspitze mit Zu- und Abstieg über das Padasterjochhaus gibt es hier nachzulesen.

 

Dauer: 8:30 Stunden

Höhenmeter: 1.800 Meter (geschätzt)

 

Parkplatz:

Bei der Kirche in Gschnitz. 

 

Einkehrmöglichkeiten:

Padasterjochhaus

 

Landschaft:     ******** (8/10)

Kondition:       ******** (8/10)

Anspruch:   ********** (10/10 - subjektive Höchstnote, für mich als Amateur-II/IIIer-Kletterer das Maximal-Level für eine seilfreie Begehung im ernsten, sehr brüchigen Gelände)



Brüchig und anspruchsvoll - die Überschreitung der Kirchdachspitze von Süden über die Torsäule. 

 

Die Route im Überblick, gesehen von der Schwarzen Wand: von Gschnitz über die Untere Bockgrube und die verworrene Südwestwand auf die Torsäule, über den Südgrat auf die Kirchdachspitze und Abstieg nach Norden über das Padasterjochhaus nach Trins. Ein paar dürre Zeilen im AVF, ansonsten keine Information über den Anstieg.

 

Nelli und ich starten um 6 Uhr morgens in Gschnitz. Während die lokalen Wetterdienste alle ins Klo griffen, hatte Kachelmannwetter mal wieder die Nase vorne. Bei uns blieb es bei den üblichen sommerlichen Quellungen, aber sonst trocken. 

 

Perspektive aus dem Tal: die Torsäule ist der überaus markante Zacken in Bildmitte, rechts der wuchtige Aufbau der Kirchdachspitze.

 

Es soll lt. AVF irgendwo ein Steiglein durch den Wald geben, dessen Existenz blieb uns aber verborgen. Daher irgendwie rauf. 

 

Kurze Wolkenlos-Phase, die Tribulaune protzen herüber. Links das Hohe Tor, ein unbekanntes, lockendes Ziel. 

  

Im Laserscan-Geländemodell konnte ich bei der Recherche am Vorabend eine Rinne ausmachen, derartiges bewährt sich ja meist im Latschenkampf. Genau dieser Rinne sind wir teils gehend, teils kriechend gefolgt. 

 

Jaja, die Tribulaune, fantastische Berge. Schwarze Wand (2.917m) - Gschnitzer (2.946m) - Pflerscher (3.097m), für letzteren haben wir leider (noch) keinen Tourenbericht. 

 

Auf einmal ein kleiner ausgeschnittener Jagdsteig, die Rinne verbreitert sich und wir können ...

 

... durch eine grasige Rinne zum Latschenkopf (1.810m) aufsteigen. 

 

Erste Fotopause in der schwülen Morgenluft. Bis hierhin schon ein kleines Abenteuer. 

Nun weiter durch die Schotterrinne in die Untere Bockgrube und hinauf zum Kirchtürl. 

 

Wir queren aus den Latschen in die Rinne, dort ganz gut verfestigter Untergrund. Unten der markante Latschenkopf. 

 

Eindrucksvolle Szenerie, die mich an die Brenta erinnert. Die Südwand der Torsäule ist ehrfurchteinflößend. 

 

Am Wandfuß aufwärts.  

 

Kurz vor dem Kirchtürl erreichen wir diesen markanten Sporn, oberhalb soll sich eine "Grasschulter" befinden. Der Zustieg ist noch etwas weiter oben, etwa 50 Höhenmeter unterhalb des Kirchtürls. Vom Kirchtürl könnte man linkerhand auch den Nordgrat zur Äußeren Ilmspitze in Angriff nehmen - mit Sicherheit eine ambitionierte Unternehmung. 

 

Aspiranten für die Torsäule könnten auch von der Innsbrucker Hütte unterhalb der Ilmspitzen herüberqueren. Wir konnten zwar Steigspuren, ab der Bockgrube aber keinerlei Markierungen oder Steinmänner ausmachen. 

 

Etwa 2h benötigen wir für den Zustieg. Na dann sind wir mal gespannt.

 

Der Einstieg in die Südwestwand der Torsäule. Die Situation schaut vor Ort anders aus als im Schwarz-Weiß-Foto im AVF. Rechts oben ist die im AVF dargestellte Grasschulter nur schwach erkennbar, die logische Route führt direkt die Rinne rechts der Bildmitte hoch. 

 

Rein in die Rinne. Sieht harmlos aus, gleich die erste etwa 3m hohe senkrechte Stufe treibt uns aber ... 

 

... hinaus in die brüchige Steilflanke. Kaum eingestiegen, stehen wir unter Hochspannung, was sich bis zum Gratausstieg etwa 300 Meter höher nicht mehr ändern sollte. 

 

Retour in die Rinne. Einen Ausstieg nach rechts auf eine Grasschulter können wir nicht erkennen.

Wieder eine Steilstufe, die eigentlich ausreichenden Tritte zerbröseln. 

 

Daher nochmal raus aus der Rinne und heikel zurückgequert. Beide Stufen bekommen von uns eine III-. Schnell wird klar, dass wir heute nicht mit einem Standard-IIer durchkommen.

(Ich erinnere mich an die Kerrachspitze, wo der AVF auch lapidar von II sprach). 

 

Nach den ersten 100 Höhenmetern erreichen wir ein kleines Plateau. Viel Gras sehen wir nicht, wir dürften schon oberhalb der "Grasschulter" sein. Es kann nur da nach oben weiter gehen. 

 

Brüchig queren wir an eine Stelle, wo sich zwei Schluchten ("Rinnen" wäre verniedlichend) vereinigen. Lt. AVF, der die Route im Abstieg beschreibt, sollte man von oben durch den rechten - also von hier aus linken - Ast herunterkommen. Ein Steilabbruch, wir vermuten jenen den wir links vor uns haben, etwa 15m hoch und mindestens IV, sollte links ober uns über eine "schmale Rampe" umgangen werden. Wir sehen nur eine Dutzende Meter hohe Steilwand, daher gibt's für uns nur eine Option - den im Aufstiegssinn rechten Ast, in den man lt. AVF später sowieso wechseln muss. 

 

Inspektion der Route. Nun geht's zur Sache.

Griffarmes, fast senkrechtes Terrain. Ein Standard-IIIer ist das jedenfalls nicht mehr. 

 

Nelli ist eine erfahrene Klettererin. Ich bin mit Schwierigkeitseinschätzungen ja vorsichtig, sie meinte, dass IV- für diesen senkrechten Aufschwung schon vertretbar wäre. Da man sich bei Erstbegehungen vor allem im brüchigen Gelände aber oft "beeindrucken" lässt, belassen wir's bei III+. Seilfreies Abklettern käme hier für uns beide keinesfalls in Frage. 

 

Die nächsten Stufen, es dauert noch bis die Steilheit nachlässt. 

 

Ein weiterer kniffliger Aufschwung (III). Den anderen Rinnenast konnten wir leider nicht einsehen, vielleicht ginge es dort leichter (wobei natürlich das Problem das unteren Steilabbruchs bleibt). 

 

Es bleibt lustig. Vorne ein Klemmblock in mehr als 3m Höhe, wie da drüberkommen?

 

Hmm, mal näher ansehen. Ich stecke meine Nase ja nur ungern in fremde Angelegenheiten, aber da finde ich doch glatt hinter dem Klemmblock ein kleines Felsenfenster! 

 

Durchzwängen ohne Rucksack gerade so möglich, das war Teamwork. 

 

Die Passage haben wir unorthodox gelöst. Mit einem Grinser steigen wir weiter.

 

Hin und wieder ein Blick aus der Rinne heraus. Vorne einige bekannte und weniger bekannte Gipfel am Hauptkamm, wie Hoher Zahn (2.924m), Weißwand (3.010m) und Schneespitze (3.194m). 

 

Die Rinne verbreitert sich, es bleibt aber höllisch brüchig. 

 

Weiter hinauf, bis diese Felsen den Weiterweg verriegeln. 

 

Ausstieg über eine vergleichsweise bequeme Rampe (I). 

 

Wir gelangen auf eine kleine Rippe. Von hier auf einmal der Paradeblick zum phänomenalen Kirchturm. Die größten Schwierigkeiten sind geschafft. 

 

Ausstieg aus der Höllenschlund-gleichen Schlucht zwischen Torsäule und Kirchtürlspitze. Technisch unschwierig auf rutschigem Geröll hinauf. 

 

Blick hinüber zu den Ilmspitzen (2.692m) sowie dem Habicht (3.297m).  

 

Brüchig, brüchig, brüchig - die letzten Meter vor dem Ausstieg auf den Grat. 

 

Und dann haben wir es geschafft und schauen auf die fotogenen Kirchtürme hinüber. Deren Begehung lt. AVF III-IV, aber wer weiß das schon so genau. 

 

Ausstiegspunkt beim Grat dort, wo er sich in zwei Äste verzweigt: nach SW die Kirchtürme und die Kirchtürlspitze sowie daran anschließend das Kirchtürl und die Ilmspitzen, nach SO ein kurzer Zweiggrat mit der Torsäule. Um dort hinzugelangen, muss man noch diesen Gratkopf überwinden (II-). 

 

Nach wenigen Minuten erreichen wir die Torsäule (2.645m), mit Gipfelsteinmann. 

 

Eine perfekte Aussichtsloge auf die Tribulaune.

 

Viele Begehungen erfährt dieser Gipfel wohl nicht, die meisten wahrscheinlich vom Grat von der Kirchdachspitze herunter. 

 

Wieviele gebürtige Waldviertler waren wohl schon auf der Torsäule? Wieviele Menschen kommen überhaupt hier her? Fragen, auf die es zum Glück keine Antworten gibt. 

 

Und das ist er, der Südgrat zur Kirchdachspitze. Etwas Gehgelände, einige interessante Stellen dürften da wohl noch kommen. Der AVF knochentrocken: "II, stets am Grat". 

 

Rückblick zur Torsäule. 

 

Hier sieht man die drei Kirchtürme und die Kirchtürlspitze gut. Ein IIIer scheint mir für dieses Ekelgelände untertrieben. 

 

Genug Fotomaterial, damit der Geograf seiner Sucht nach wenig begangenen Routen nachgehen kann :)

Erster Aufschwung am Grat, mit deutlich festerem Fels (I). 

 

Gegenüber Elfer- (2.505m) und Zwölferspitze (2.562m). Die südwärts ansetzenden Gipfel wie Schafspitze, Kelderer und Manteler muss ich mir auch einmal aus der Nähe ansehen.

 

Ein Köpfl umgehen wir, dann folgt der von der Torsäule markant erscheinende Aufschwung. 

 

Tiefblick in das Pinnistal. Nachdem ein Rückweg auf der Anstiegsroute für uns nicht in Frage kommt, haben wir für den späteren Abstieg zwei Möglichkeiten: entweder über den Jubiläumssteig ins Pinnistal mit markantem Gegenanstieg zum Pinnisjoch nahe der Innsbrucker Hütte und Abstieg nach Gschnitz, oder Abstieg zum Padasterjochhaus und nach Trins. 

 

Schöner nächster Gratkopf (II). 

 

Querung in eine schrofige Rinne und diese hinauf. Die scheinbar schwierige Passage bleibt im Genussbereich.  

 

Der erste, lohnende Gratteil. 

 

Nun easy gerade weiter? Denkste. 

 

Ein Steilabbruch zwingt uns zuerst zu einer einfachen westseitigen Umgehung, dann gibt's aber nur mehr ...  

 

... einen etwas umfangreicheren ostseitigen Abstieg. Hier wieder sehr brüchig. 

 

Um ein Eck herum und über steile Schrofen retour zum Grat. 

 

Oben ein bequemes Plateau. Etwa 100 Höhenmeter unter dem Gipfel Wechsel von brüchigem Kalk auf zwar splittrigen, aber an den Aufschwüngen stabileren Quarzphyllit, wie er eigentlich für die Tuxer charakteristisch ist. 

 

Sommerliche Quellungen, schwierige Jahreszeit für Meteorologen. 

 

Wir stehen vor dem letzten Steilaufschwung, interessante Stimmung mit den Nebelschwaden.

 

Nach etwas einfacherem Geplänkel folgt bei den dunkleren Felsen eine griffige, aber seitlich etwas weghängende III-. 

  

Und als Abschluss noch die wild aussehende, aber nicht übermäßig schwierige letzte Stufe (II+). 

 

Von oben betrachtet erkennt man den exponierten Charakter dieser gut kletterbaren Stelle. 

 

Eigentlich wär's das gewesen, doch noch einmal pfeift's 10 Meter in eine Scharte runter, die man etwas exponiert, aber unschwierig umgehen kann. 

 

Nelli in der steilen Umgehung, unter ihr Nebel und das Nichts. 

 

Dann aber... nach über 5 Stunden stehen wir endlich auf der Kirchdachspitze (2.840m). 

 

 

 

Südgrat der Kirchdachspitze, links vorne die Torsäule. Mit dem Anstieg vom Kirchtürl ein hartes Stück Arbeit. 

  

Die Kirchdachspitze ist der höchste Gipfel im Serleskamm und dementsprechend aussichtsreich. Links das Stubaital, vorne der nördliche Abschnitt mit Hammerspitze (2.632m), Wasenwand (2.563m), Kesselspitze (2.726m) bis hin zur Serles (2.717m). 

 

Trotz bewölktem Wetter genießen wir eine halbe Stunde Gipfelrast und entschließen uns, über das Padasterjochhaus nach Trins abzusteigen. 

 

Üppige Versicherungen samt Leiter am Nordgrat, meist eigentlich mehr in der Nordostflanke. 

 

Beim Silbersattel (2.750m). Der Weg nach Trins ist weit. Es zahlt sich aus, für lange Überschreitungen immer leichte Laufschuhe in den Rucksack zu packen. Das Gewicht ist nicht der Rede wert und man erspart sich schmerzende Füße.

 

Abstieg am markierten Steig (T4). Dass die Kirchdachspitze so ein Bröselhaufen ist, war mir gar nicht bewusst. 

 

Wechsel auf Laufschuhe nahe der Hammerspitze. 

 

Rückblick zur Kirchdachspitze mit dem nach Osten vorgerückten Kirchdach. 

 

Bei der Schäferhütte. 

 

Tiefblick auf das Gschnitztal. Lt. Auskunft von Einheimischen gab es früher einen direkten Weg durch dieses Tal herauf, uns bleibt aber nur der Umweg nach Trins. 

 

Die schöne Hochfläche mit dem Padasterjochhaus (2.232m), links Wasenwand (2.534m), rechts Foppmandl (2.412m), mittig dahinter die Kesselspitze. 

 

Wir genießen das satte Grün und peilen den Graben unterhalb der Hohen Burg (2.198m) an. 

 

Den Padasterkogel (2.301m) lassen wir ausnahmsweise rechts liegen. 

 

Herrlicher Abstieg über Almwiesen. Hinten Peilspitze (2.392m) und Blaser (2.241m), am Horizont die Tuxer Alpen. 

 

Abwärts auf dem "Herrensteig", dem Normalweg zum Padasterjochhaus. Unten herrliche, lichte Wiesen. 

  

Auch der Olperer und links die Kaserer sind nun zu sehen. 

 

Rückblick auf das schöne Hochtal. 

 

Zwei Stunden nach Aufbruch vom Gipfel sind wir bereits fast in Trins. 

 

Beim Autostoppen holen wir uns noch einen Sonnenbrand, bis uns ein sehr freundliches älteres Paar mit großem Verständnis für müde Bergsteiger zurück nach Gschnitz mitnimmt. Eine Tour voller Gegensätze mit dem ganzen Spektrum der Bergsteigerei. 

 

Merksatz zum Schluss: traue nie einem IIer aus alten Führern, vor allem wenn es sonst keine Beschreibungen im Internet gibt. Wie schon damals auf der Kerrachspitze war das eine Tour, wo die angegebenen Schwierigkeiten deutlich überschritten wurden. 

 


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Kommentare: 1
  • #1

    Richard Hilber (Montag, 25 November 2019 18:09)

    1A Tourenbericht
    Danke für die genaue Beschreibung.