Kalkwand

2826 Meter

Tuxer Alpen

13. Oktober 2018

Autor: Jürgen

 

Beschreibung:

Vom Lager Walchen (1.410m) in die Wattener Lizum und über die Melan-Almen zum Hochlager bzw. zur Lizumer Hütte (2.019m). Am teilweise neu trassierten Steig zum Junsjoch (2.484m). Etwas absteigend nach Osten zum Gratansatz und die ersten Gratköpfe nordwärts umgehend zur Scharte beim Reuterturm (2.678m). Am "Soldatenweg" durch die steile Wand - immer an den blau markierten Haken orientierend - hinauf zum Westgrat und zum Gipfel (2.826m). Abstieg retour zur Scharte, über die Steinhalden hinab zur Lizumer Hütte und hinaus zum Ausgangspunkt. 

  

Schwierigkeitsgrad: sehr schwierig (T5/III)

Zustieg zum Junsjoch unschwierig (T2). Weglos nördlich des Grats zur Scharte westlich der Kalkwand (T5). Klettertechnische Schlüsselstellen sind die Einstiegswand (III, sehr luftig, wird im Abstieg oft abgeseilt) und der oben schmale, ausgesetzte Grat (bis II+) - bei Bedarf kann an bestens markierten Haken gesichert werden. 

 

Dauer: Stunden

Höhenmeter: 1.450 Meter

 

Parkplatz:

Lager Walchen

 

Einkehrmöglichkeiten:

Lizumer Hütte

 

Landschaft:   ********* (9/10)

Kondition:         ******* (7/10)

Anspruch:      ********* (9/10)



Auf der Kalkwand (2.826m), einem schroffen Stück Dolomit (nicht Kalk) in den ansonsten so lieblichen Tuxer Alpen. Die Zustiege von Norden aus der Wattener Lizum (wie in meinem Falle) oder von Süden aus dem Tuxer Tal sind einfach, die Kletterei am Gipfelaufbau ist aber im leichtesten Falle UIAA III.

 

Trailrunning-Schuhe geschnürt und im Halbdunkel ab die Post beim Lager Walchen (1.410m). Hier nach Sonnenaufgang bei den Melan-Almen (ca. 1.700m), das Wattental bleibt im Herbst schon relativ lange im Schatten.

 

Sonne schon auf den Karwendel-Südseiten. Sonniger wär's auf jeden Fall auch, wenn man vom Tuxer Tal über den Junsberg zusteigt (oder mit Bike zufährt), ich wollte mir aber die lange Autofahrt durch das Zillertal sparen.

 

Beim Hochlager öffnen sich die Lizumer Böden, der hintere Bereich der Wattener Lizum.

 

Vorbei an der Lizumer Hütte (2.019m). 

 

Nächstes Ziel ist das Junsjoch in Bildmitte, der Übergang ins Tuxer Tal. Aufgrund der Felssturzgefahr - man erkennt die Steinhalden unterhalb der Kalkwand - wurde der Steig zum Junsjoch vor wenigen Jahren auf die rechte Talseite verlegt. 

 

In den Talschluß und dann rechtshaltend geht auch die so beliebte Skitour zum Geier. 

 

Die Kalkwand schindet Eindruck, ein ziemlicher Klotz, über den ich im Vorfeld relativ wenig in Erfahrung bringen konnte. Der leichteste Zustieg sollte über den Westgrat ('Soldatenweg') möglich sein, dessen Bewertung zwischen II und III liegt, es gibt aber auch eine Route auf der Nordostseite (angeblich ebenfalls II/III), und diverse Kletterrouten in den oberen Schwierigkeitsgraden durch die hier nicht sichtbare Südwand. 

 

Vorerst aber einfach den Steig Richtung Junsjoch bzw. Geier aufwärts. 

 

Unschwieriger Zustieg zum Junsjoch.

 

Nochmals die Kalkwand, die rechts vorgelagerten Zacken sind die Reuternadel und der  Reuterturm. Einige Zacken sind vor Jahren angeblich durch Artilleriebeschuss weggeschossen worden (einzige Info dazu hier). 

 

Ein goldener Oktobertag, bald komme ich in die Sonne. 

 

Die Vorfreude steigt. 

 

Yes! Mit flottem Tempo ist jedenfalls mit 2:30h Zustiegszeit von Walchen zu rechnen, kein Wunder, dass in den wenigen vorhandenen Berichten der Zustieg von Süden gewählt wurde. Blick nach Südosten zum Junsberg sowie zu Grinbergspitze (2.867m), Dristner (2.767m) und in der Ferne die Reichenspitze (3.303m)

 

Wahnsinn, die Kalkwand ist echt beeindruckend. Im Vordergrund der Reuterturm. 

 

Talauswärts nun erste Sonnenstrahlen für die Rekruten im Hochlager, draußen das Karwendel. 

 

Im Süden der mächtige Olperer (3.476m), links davon Gefrorene-Wand-Spitzen (3.288m) und Hoher Riffler (3.231m). Rechts könnte man zum Pluderling aufsteigen, der Weg verläuft aber durch die schattige, schon schneebedeckte Nordseite. 

 

Ich verlasse den Steig und sondiere die möglichen Zustiege zur Kalkwand: südlich fällt es sehr steil in die Junsgrube ab, direkt über den Grat erscheint mir schwierig, daher wähle ich die brüchige Flanke nördlich des Grats. Da immer wieder größere Gruppen von Soldaten hochgehen, habe ich mit Steinmännern oder eindeutigen Steigspuren spekuliert, sehe aber weder noch.

 

Die Begehung ist nicht schwierig, etwas rutschig war es an den angefrorenen Felsbrocken. 

   

Schaut von hier etwas trivialer aus, als es ist, da man einige schmale Rinnen und Abbrüche umgehen muss (kurz T5). Im Hintergrund links der Pluderling (2.778m), der runde Geier (2.857m) und der Lizumer Reckner, mit 2.886m höchster Gipfel der Tuxer Alpen.

 

Ich gelange auf den Grat. Schnell wird klar: IIer? Eher nicht. Der Felszacken im Vordergrund ist vermutlich die 'Reuternadel' (dürfte tatsächlich oben etwas abgeschossen sein), ich selbst stehe gerade ...

 

... vermutlich auf dem 'Reuterturm' (2.678m). Ganz sicher bin ich mir nicht, da ich einen schwierigeren Felsturm erwartet hatte. Es gibt aber sonst keinen Turm, da der Grat schon wieder nach Westen zum Junsjoch abfällt. 

 

Also hinüber in die Scharte zwischen Reuternadel und Kalkwand-Westgrat marschiert. Schon von weitem erkennt man den 'Soldatenweg' an den zahlreichen, blau markierten Bohrhaken. Ich wechsle jedenfalls auf die klettertauglichen Schuhe.

 

Dank 'Blaupunktklettern' keine Orientierungsprobleme, aber mit einem IIer kommt man durch die fast senkrechte Einstiegswand nicht durch. Gleich beim Einstieg III-, darüber leichter mit guten Standmöglichkeiten. Die Wand schätze ich auf 30m Höhe. Nach oben hin wird's offenkunding recht luftig, die Ausstiegsstelle ist gut erkennbar. 

 

Bombenfester, leicht aufgerauhter Dolomit macht die Kletterei zu einem Hochgenuss. Vorne bereits der schwierigste Teil durch den schmalen Spalt zwischen der Wand und der vorstehenden Rippe. 

 

Der Ausstieg ist beeindruckend ausgesetzt. Kein Wunder, dass hier üblicherweise abgeseilt wird.

 

Anschließend etwas Gehgelände, ein Steinmann sagt mir, dass ich richtig bin. 

 

Gemächlich weiter (I, auf Reibung). 

 

Immer den blau markierten Haken nach. 

 

Der Gipfel ist nicht mehr fern. Wunderschönes, nicht allzu schweres Klettern im Mittelteil (I/II). 

 

Hier direkt auf Reibung entlang der Haken rauf, die Steinmänner zeigen auch eine seichte Rinne seitlich davon, die ich später im Abstieg runter bin.

 

Ich komme zum oberen Teil des Westgrats. 

 

Tiefblick nach Süden zu den Junsbergalmen.

 

Viele schöne Kletterstellen reihen sich aneinander (max. II+). 

 

Zum Gipfel hin schnürt sich der Grat mehr und mehr zusammen. 

 

Wow, bin ich hier wirklich in den Tuxern?!

 

Hier müsste die VI+ Route durch die Südwand heraufkommen. 

 

Ein letztes schmales Stück.

 

Yeah!

 

Und die letzten Meter zum ...

 

... Gipfel (2.826m). 30-45 Minuten sollte man bei der Erstbegehung für den Westgrat jedenfalls rechnen, in Summe war ich vom Lager Walchen mit Pausen 3:45h unterwegs. 

 

Im Osten die Torwand (2.768m). Lt. Gipfelbuch machen einige die Gratüberschreitung, muss ich mir auch einmal näher ansehen. Im Hintergrund dominiert der Rastkogel (2.762m). 

 

Unten das Tuxer Tal mit dem (verdeckten) Ausgangspunkt Juns, wenn man von Süden zusteigen würde. Perfekte Fernsicht: am Horizont mitte-links erkennt man schemenhaft das Dachsteinmassiv (151 km Luftlinie!).

 

Die höchsten Tuxer und dahinter die Stubaier Alpen.

 

Wieder einmal einer dieser goldenen Herbsttage.

 

Dem Abstieg ist nichts hinzuzufügen, die Route ist nicht zuletzt aufgrund der unzähligen blauen Markierungen klar. Etwas erstaunt bin ich doch über den einen oder anderen Bericht, der von Orientierungsschwierigkeiten am Westgrat spricht.

 

Im Abstieg nehme ich oben den Grat - es gibt keine sinnvolle andere Möglichkeit -, und steige in die Westflanke über eine mit Steinmännern angezeigte Rinne ein (statt oben drüber wie im Aufstieg).

 

Wichtig ist unten den Einstieg in die steile Wand zu finden - auch hier findet sich ein deutlicher blauer Punkt, unweit davon der große Steinmann (hier nicht im Bild). 

 

Ein Seil könnte hier nicht schaden, aufgrund der tollen Felsqualität ist die Passage für Geher, die den 3. Grad beherrschen, auch seilfrei möglich. Die Wand ist ähnlich hoch wie die Schlüsselstelle am Bettelwurf-Osteck, aber doch leichter mit üppigen Griff- und Trittmöglichkeiten und somit gut abkletterbar - insofern mag das mancher mit II+ oder III- beurteilen, II ist aber definitiv untertrieben. 

 

Für mich nicht II. Unterm Hosenboden viel Luft.

 

Ausstieg aus der Wand. Links (kaum im Bild) würde übrigens eine weitere gebohrte Route hinaufführen ("Alpenjägersteig IV+").

 

Nochmals Pause an der Scharte.

 

Unglaublich schöne Tuxer Alpen. Anstatt zurück zum Junsjoch zu gehen, nehme ich eine relativ direkte Linie hinab zum Lizumer Boden.

  

Ist schon ein weiter Weg zurück nach Walchen.

 

Talschluss der Wattener Lizum, das Farbenspiel ist ein Traum.

 

Gülden. 

 

Lizumer Hütte. 

 

Diese Farben ... (Original-Bild, kein Photoshop).

 

Im gemütlichen Laufschritt in einer guten Stunde hinaus zum Lager Walchen. Lange dauert's nicht mehr, bis die Hänge rund um die Wattener Lizum wieder von Skitourern bevölkert werden, so lange es aber noch geht gilt es die wunderbare goldene Herbststimmung zu genießen.

 


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Kommentare: 5
  • #1

    Knapp Thomas (Sonntag, 21 Oktober 2018 17:43)

    Servus Jürgen, wieder mal eine Toptour! Das mit den blauen Punkten scheint neu zu sein, Hab die Tour auf Hikr.org beschrieben und kenne den Eintrag von den Orientierungsproblemen am Westgrat, naja, eine logische Linie meiner Meinung nach. Wie immer super Fotos von Dir!
    Schöne Grüsse und Berg Heil!
    Knapp Tom
    Stans

  • #2

    Jürgen (Montag, 22 Oktober 2018 10:10)

    Servus Tom, habe deinen Eintrag im GB gesehen! Eine Tour, die häufiger gemacht wird als gedacht, der Westgrat ist aber auch wirklich eine tolle Route. Ich muss mir als Nächstes unbedingt den Übergang von der Torwand ansehen. Gruß

  • #3

    Knapp Thomas (Dienstag, 23 Oktober 2018 19:08)

    Servus nochmal Jürgen, von der Torwand her hab ich auch schon ins Auge gefasst, sicher auch ein schöner Anstieg!

  • #4

    Karlpeterfranz (Dienstag, 23 Juni 2020 23:06)

    Die Kalkwand ist aber nicht aus Kalkstein, sondern aus Dolomit.
    Ich weiß, der Name ist irreführend, aber auch die Kalkkögel sind aus Dolomit.

  • #5

    Jürgen (Donnerstag, 25 Juni 2020 16:13)

    Sehr interessante Information, vielen Dank, lieber Karlpeterfranz!