Glücksmauer & Luchsmauer

923 / 874 Meter

Weinsberger Wald - Waldviertel

1. Jänner 2020

Autor: Jürgen

Mit auf Tour: Josef

 

Beschreibung:

Historische und botanische Entdecker-Wanderrunde zu Neujahr auf mehrere mit mächtigen Granitformationen geschmückte weitläufige Hügel im Weinsberger Wald: nahe Großpertenschlag gehen wir entlang des Dürnbergbachs hinab zum Zusammenfluss mit dem Prinzbach (720m) und steigen südwärts auf Forstwegen, zuletzt weglos zum Brandles (861m) an. Nach jeweils kurzem Ab- und Wiederaufstieg kommen wir zuerst zur Glücksmauer (874m) und später zur Luchsmauer (923m). Zuletzt erobern wir noch den Großen Gurrenberg (906m) und beschließen die Runde mit dem Rückweg entlang des Dürnbergbachs.

 

Schwierigkeitsgrad: einfach (T2), bei den Felsformationen UIAA I-II. 

Anfangs Wanderung auf Forstwegen, dann weglos zu den Granitformationen, die je nach Linie in leichter Ier-Kraxelei zu erklettern sind

 

Dauer: 2:00 Stunden

Höhenmeter: 270 Meter

 

Parkplatz:

Nahe Großpertenschlag.

 

Einkehrmöglichkeiten:

keine

 

Landschaft: ******* (7/10)

Kondition:          *** (3/10)

Anspruch:           *** (3/10)



Rot grüßen die Lärchenkronen zum schneelosen Neujahr 2020 im Abendsonnenlicht. Auf unserer kleinen Wachmacherrunde nach den Silvesterfeiern verschlägt es uns in den weitläufigen Weinsberger Wald. Auf dieser Tour habe ich wieder einiges über Bäume und Geschichte dieser Region gelernt, man muss nur genau hinschauen.

  

Wir parken das Auto nahe des Orts Großpertenschlag. Am Neujahrstag kommt man ja nicht so leicht aus den Federn, es ist schon mittlerer Nachmittag. Zum Sonnenuntergang wollen wir auf einem der nahen Waldgipfel die letzten Partynachwehen vom Vortag überwinden.

 

Zuerst dominiert: Wald. Im Weinsberger Wald, dem größten geschlossenen Waldgebiet Österreichs, auch nicht besonders überraschend. Etwas überraschender ist aber, dass wir uns hier auf geschichtlich interessantem Boden befinden, denn wir begehen hier die alte Trasse der 'Waldbahn'. 

 

Hier fließen Dürnbergbach und Prinzbach zusammen, somit werden die beiden Bäche an dieser Stelle zum Kleinen Kamp. Rechts die alte Bahntrasse, heute ein Forstweg.

 

Um zu verstehen, warum es die Bahn gab bzw. heute nicht mehr gibt, muss man bis ins Mittelalter zurück. Ab dem späten 14. Jhdt. wurden im 'Nordwald' Glashütten zur Erstellung von 'Waldglas' errichtet. Ab Mitte des 18. Jhdts führte der Bevölkerungsboom von Wien und dessen Bau- und Brennholzbedarf zu einer intensiveren Nutzung der Holzreserven des Weinsberger Waldes. Holzknechtsiedlungen wie jene des nahen Dürnberg wurden um 1760 erbaut. Riesige Kahlschläge des Urwalds entstanden und das Holz wurde über Schwemmanlagen Richtung Donau 'getriftet', bevor das Gebiet aus wirtschaftlichen Gründen um 1800 an das Haus Habsburg-Lothringen verkauft und wiederaufgeforstet wurde. Über 100 Jahre lang wuchsen die Bestände nach, bevor nach dem 1. Weltkrieg die industrielle Nutzung begann.  Quelle: http://www.weinsbergerwald.at/ 

Als Teil des 'Abstockungsvertrages' der 'Körner-Werke' mit der Herrschaft Habsburg wurde 1919 der Bau einer 31 km langen 'Waldbahn' zwischen Gutenbrunn und Bärnkopf vereinbart. Über eine eigens errichtete 'Industriebahn' wurde das Holz von der Säge in Gutenbrunn über Martinsberg und Zwettl zur Franz-Josefs-Bahn und in die Metropolen dieser Zeit transportiert. Der Betrieb der Waldbahn wurde aufgrund des allgemeinen wirtschaftlichen Niedergangs 1933 eingestellt. Die Trasse selbst ist vielerorts noch gut erkennbar, ebenso gibt es zahlreiche bauliche Überreste. Heute werden die Trassen als Teil des regionalen MTB- und Langlaufnetzes genutzt. Quelle: http://www.weinsbergerwald.at/ 

 

Nach diesem geschichtlichen Exkurs verlassen wir das Tal. Angenehmes Füße vertreten in dieser urigen Landschaft. 

 

Nach dem ersten Viertel der Runde steigen wir weglos zum Brandles an. Vom Winter ist hier auf über 800m Seehöhe kaum etwas zu sehen, das war zwei Tage zuvor am Tischberg und am Vortag am Nebelstein doch etwas anders. 

 

Hin zum höchsten Punkt (861m) ... 

 

... mit eleganter Aufstiegshilfe.

Links vorne zeigen sich bereits Luchsmauer und Gr. Gurrenberg, die wir später noch heimsuchen. Wie man sieht ist der Weinsberger Wald durch flache Kuppen geprägt, Reste eines uralten Hochgebirges, wo die Fels- und Erdschichten nach und nach erodiert wurden und als höchste Punkte nur die härtesten Granitformationen (treffenderweise 'Härtlinge' oder 'Restlinge' genannt) übrigblieben. Die Bezeichnung 'Findlinge' ist übrigens falsch, da das Waldviertel in den Eiszeiten überwiegend unvergletschert war. 

 

Ein Blick in die Zukunft? In den Hochlagen des Waldviertels dominieren seit jeher Fichten-Tannen-Buchen-Mischwälder, die aber durch die intensive Bewirtschaft der vergangenen Jahrhunderte oft durch Fichtenwälder ersetzt wurden. Aufgrund der Klimaerwärmung werden sich die Monokulturen aus mittleren Höhen zurückziehen und wieder resistenteren Mischbeständen Platz machen.

  

Erster Gipfel: check! Wir steigen kurz ab und wieder an, und stehen kaum 15 Minuten später ... 

 

... vor der beeindruckenden Glücksmauer. Wie das Gipfelchen zu seinem motivierenden Namen kommt, wissen wir nicht. Jedenfalls ein gut versteckter Natur-Boulderplatz der Sonderklasse. 

 

Der Anstieg zum 'Westgipfel' könnte als UIAA II durchgehen.

 

Der tatsächlich höchste Punkt ist leichter erreichbar. 

 

Glücksmoment auf der Glücksmauer (874m) am Neujahrstag bei herrlichem Wetter - leider fehlt der jahreszeitübliche Schnee. Der Blick schweift nach Nordwesten in die Gegend rund um Arbesbach und über Hügel mit Namen wie Münzenberg (915m) und König (887m).

 

Wir lassen unserer Leidenschaft für die Waldviertler Landschaft freien Lauf. Man beachte die Bäume im Hintergrund, Erklärung dazu weiter unten.

 

Abstieg aus der wärmenden Nachmittagssonne ... 

 

... hinunter in die kühle Senke ... 

  

... mit kryptischen Zeichen.

 

Es wartet der Anstieg zum höchsten Punkt durch einen größeren Rotbuchen-Bestand.

 

Steil & querfeldein.

 

Zu den schönen Restlingen der 'Luchsmauer' (923m).

 

Wie meist gibt es eine schroffe, schwierige Seite und einen unschwierigen Durchschlupf.

 

Am höchsten Punkt (923m) finden wir etwas, das wie Reste eines Gipfelkreuzes aussieht. In jedem Fall wurde eine Holzstange drangenagelt. Wer weiß, wie alt diese Konstruktion wohl schon ist.

 

Feine Aussicht von hier nach Nordosten zur kleinen Ortschaft Reitern bei Schönbach.

  

Hier fällt uns dann ein interessanter Effekt auf: im Gipfelbereich der Glücksmauer, im Vordergrund erkennbar, halten sich kleine Bestände von sommergrünen Lärchen gemischt mit Rotbuchen. Der winterliche Nadelwurf schützt die Lärchen vor Frost, sie stellen wenig Ansprüche an die Nährstoffversorgung und sind lichtbedürftig. Daher sind sie eigentlich typisch für alpine Standorte. Auf das Waldviertel umgelegt: dort wo Lärchen im dichten Bestand = hohe Chance auf Kraxel-Felsen! Das Spiel wiederholt sich auch später am Gurrenberg, hier auf der Luchsmauer stehen eher Rotbuchen.

 

Die Sonne steht schon tief, der von mir erhoffte Alpenblick Richtung Südwesten fällt der dichten Botanik zum Opfer.

 

Gipfel Nr. 4 erreichen wir wenige hundert Meter nordwärts.  

 

Und oben, erraten, in abendliches rot getünchte Lärchen - siehe auch das erste Beitragsbild.

 

Tolle Lichtstimmung an diesem entrückten Ort.

 

Leichte Kraxelei zum höchsten Punkt (906m), dann steigen wir steil hinab zum Dürnbergbach ab.

 

Teich nahe der ehemaligen Holzfällersiedlung Dürnberg, nebenan die heute als MTB-Strecke genutzte Trasse der ehemaligen Waldbahn.

 

Gestärkt durch unsere Spurensuche erleben wir bei der Rückfahrt ein fantastisches Farbenspiel. Manchmal bergen auch kleine Touren tolle historische und botanische Fundstücke und Motivation für neue Unternehmungen in der Gegend.

 


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Kommentare: 1
  • #1

    J.W (Montag, 20 Januar 2020 20:06)

    Hast mit deinem Bericht wieder alle Register gezogen. Neben deiner unvergleichlichen Naturbeschreibung, kommt auch das Geschichtliche nicht zu kurz. Als Sahnehäubchen obendrauf, herrliche Bilder. Ein Genuss!