Großer Ötscher (1.893m) aus dem Waldviertel

141,9 Kilometer, 2.460 Höhenmeter

Ybbstaler Alpen / Niederösterreich

24. Juli 2018

Autor: Jürgen

 

Beschreibung:

Die sehr abwechslungsreiche Tagestour durchquert weite Teile des westlichen Niederösterreichs von Nord nach Süd, vom Böhmischen Massiv im Waldviertel über das Donautal und das Mostviertel in die Nördlichen Kalkalpen. Die Krönung ist die Überschreitung des Gr. Ötschers über den Rauhen Kamm. Auf der gesamten Tour warten herausragende landschaftlichen Eindrücke.  

 

Ablauf:

1. Mit dem Rad von Zwettl nach Lackenhof (127 km): von Zwettl (522m) durch das Waldviertler Hochland nach Martinsberg (825m) und Abfahrt über das Weitental nach Weitenegg a.d. Donau (214m). Am Donauradweg nach Pöchlarn und bei der Erlauf-Mündung auf den Ötscherlandradweg. Weiter südwärts über Wieselburg, Purgstall und Scheibbs nach Gaming (431m). Anstieg über den Grünberg nach Markstein (759m), Abfahrt in das Oistal nach Maierhöfen (640m) und hinauf nach Lackenhof, Raddepot am Liftparkplatz (865m). 

2. Überschreitung des Ötschers (15 km): Zu Fuß vom Parkplatz über die Ötscherwiese nach Raneck (954m) und weiter am Forstweg zur Bärenlacke (948m). Am steilen Steig durch den Wald hinauf zum Rauhen Kamm (1.533m) und über diverse Felsabsätze zum Ostgipfel, dann weiter zum Hauptgipfel des Gr. Ötschers (1.893m). Abstieg zum Ötscherschutzhaus (1.418m) und am steilen Steig auf der Piste hinab zum Parkplatz.  

Rückfahrt mit dem Auto nach Zwettl.

 

Schwierigkeitsgrad: radtechnisch einfach, Ötscher-Überschreitung mittelschwierig (T4/I). Auch wenn die reinen Kilometer und Höhenmeter umgelegt auf einen halben Tag nicht exorbitant sind, ist die Tour aufgrund ihrer Dauer konditionell fordernd. Der Rauhe Kamm ist kaum ausgesetzt und bei trockenen Verhältnissen für versierte Berggeher problemlos: einige Stellen I, ein Aufschwung II (Haken).

 

Dauer: 12:30 Stunden (7:30h von Zwettl nach Lackenhof, 5h Ötscher-Überschreitung)

Höhenmeter: 2.460 Meter

 

Parkplatz:

Lackenhof Liftparkplatz

 

Einkehrmöglichkeiten:

Gastronomie entlang der Strecke und in Lackenhof

 

Landschaft:  ********** (10/10)

Kondition:    ********** (10/10)

Anspruch:             ****** (6/10)



Der Rauhe Kamm hinauf zum Gr. Ötscher - Schlußetappe einer fantastischen Tour, die 11 Stunden zuvor in völlig konträrer Landschaft in Zwettl im Waldviertel begonnen hat. 

 

Das Objekt der Begierde aus der Ferne: der mächtige Ötscher (1.893m), auch "Vaterberg" genannt, ist das Wahrzeichen des Mostviertels und bei guter Fernsicht aus dem Waldviertel als mächtiger Bergstock erkennbar (wie hier auf meiner Granittrail-Nonstop-Tour). Von Zwettl aus zieht sich die Tour wie ein Schnitt durch das vielfältige Niederösterreich. 

 

Zwettl liegt fernab der Alpen inmitten des Waldviertels im nordwestlichen Niederösterreich. Ich dachte mir schon länger, dass eine Tour auf den Ötscher eine charmante Unternehmung sein könnte - das sollte sich mehr als bewahrheiten. Mein Tourenplan sah 12-13 Stunden vor. Das erste Teilstück bildet die 127 km lange Anfahrt per Rad nach Lackenhof. Die angepeilten 7h für den ersten Abschnitt konnte ich nicht halten, dafür konnte ich den zweiten Teil - die Ötscher-Überschreitung - wesentlich schneller bewältigen. 

5.00 Uhr, km 0, warten auf das erste Tageslicht und Abfahrt vom Elternhaus in Zwettl. Den Gedanken, dass ich im Urlaub einfach ausschlafen und mich an den See legen sollte, statt sich bei 30° durch halb Niederösterreich zu quälen, verwerfe ich schnell wieder.

 

Die sanften Hügel des Waldviertler Hochlands werden mich die ersten 40 km begleiten. Von ca. 500m Seehöhe im Kamptal zieht's zuerst hinauf Richtung Weinsberger Wald auf etwa 860m. 

 

5:50 Uhr, km 13, Einrollen bis Grafenschlag (780m). 

 

Schon frühmorgens das erste der vielen Highlights dieser Tour. Gute Wetterprognose für den heutigen Tag, es soll ein schwül-heißer, aber trockener Tag werden. 

 

Um Energie zu sparen, wähle ich eine Strecke ohne spritzige Bergankünfte, sondern mit entspanntem Radeln. Es wirkt nicht so, aber man könnte hier viele Höhenmeter sammeln.   

 

Morgenstimmung auf ruhigen Nebenstraßen. Es geht durch Orte wie Spielberg, Walterschlag und Kleingerungs. 

 

Mohnfelder als willkommener Gegensatz zu den schroffen Alpentouren in letzter Zeit. 

 

Felder und Wälder. Waldviertel, wie es typischer kaum sein könnte. 

  

Das Waldviertel ist übrigens ein überaus lohnenswertes Gebiet für Mountainbike-Touren

 

Um 6:45 Uhr erreiche ich nach 29 Kilometern Martinsberg (825m). Ab hier fällt die Hochfläche zur Donau hin ab, es warten flotte Abfahrten durch das Hölltal nach Pöggstall und über das Weitental zur Donau. 

 

Im Weitental ändert sich erstmals der landschaftliche Charakter, im Hintergrund der Höhenzug des Ostrong mit dem Gr. Peilstein (1.061m), der zweithöchsten Erhebung des Waldviertels. 

 

7:05 Uhr, km 40: Pöggstall (462m) schläft noch. 

 

Und weiter geht die Abfahrt durch das Weitental. Vorbei am Schloß Leiben. 

 

7:40 Uhr, km 57 - Ankunft an der Donau bei Weitenegg (214m). Für die paar Kilometer entlang der Donau nutze ich den bestens ausgeschilderten Donauradweg. 

  

Ganz dezent erkennt man stromabwärts das Stift Melk. 

 

Für mich geht's ein paar Kilometer stromaufwärts, die Höhen des südlichen Waldviertels am nördlichen Donauufer. 

 

8:05 Uhr, km 64, Pöchlarn (216m). Erste längere Pause an der Mündung der Erlauf. 

  

Entlang der Erlauf fahre ich auf dem hier beginnenden Ötscherlandradweg nach Süden in das Mostviertel. 

 

Auf den flachen Schwemmterrassen von Donau und Erlauf rolle ich weiter. 

 

Mehrmals quert der Radweg die Erlauf. 

 

Das Auge bekommt viel zu sehen. 

 

Nach 9:00 Uhr, km 85, Wieselburg liegt bereits hinter mir. Die diesige, schwüle Luft schränkt die Fernsicht ein, sonst hätte man von hier bereits einen schönen Frontalblick auf den Ötscher. 

 

9:35 Uhr, km 88, vorbei an Purgstall (299m). Etwas Schotterstrecke neben der Erlauf. 

 

Kurz vor 10 Uhr, km 95, Ankunft und zweite längere Pause in Scheibbs. Ich spüre, dass ich diese Saison noch kaum mit dem Rad unterwegs gewesen bin. 5 Stunden bereits unterwegs, bin leicht hinter dem Zeitplan. 7:30 Stunden warten noch. 

 

Ab Scheibbs beginnen die Berge. Schöne Landschaft, bestes Wetter. 

 

Hinein nach Gaming. 

 

10:55 Uhr, km 109: das Bier hätte gelockt, aber ich lasse die Kartause Gaming rechts liegen. 

 

Jetzt heisst's Zähne zusammenbeißen: ab Gaming zieht die vielbefahrene Bundesstraße über einige Kilometer bergauf. Auch hier gilt: ich wähle den Weg des geringsten Widerstandes, es gäbe eine Vielzahl von MTB-Strecken, die das Ganze aber weiter erschwert hätten.

 

Zum Grubberg und noch weiter nach Markstein (ca. 760m). 

 

Am Sattel erster Blick auf den Ötscher (links im Bild). 

 

Etwas Höhenmeter vernichten in das Oistal. Bei Maierhöfen (640m) beginnt der letzte Anstieg hinauf nach Lackenhof. 

 

12:35 Uhr, km 127, etwas oberhalb vom Ort Lackenhof liegt der Liftparkplatz (865m) am Fuß des Ötschers. Mein Support-Team, das mit dem Auto nach Lackenhof gefahren ist, holt mich kurz vor der Ankunft ein. Ich vernichte erstmal eine Packung Tuttifrutti. 

 

Im Prinzip wäre das bisher eine relativ entspannte Tagesradtour gewesen, doch nun folgt Teil 2 - die Überschreitung des Ötschers mit Anstieg über den Ostgrat, den Rauhen Kamm, und Abstieg über das Ötscherschutzhaus. Die Tour ist auf den diversen Wegweisern in Summe mit 7h angeschrieben (5h zum Gipfel, 2h Abstieg).

 

Die alpinen Schwierigkeiten sollten sich in Grenzen halten, daher verwende ich meine Speedcross, die mich flugs hinüber zur Ötscherwiese bringen. Von Lackenhof sinds 6 flache, eher fade Kilometer zum Einstieg des richtigen Steigs, ich bin aber froh nicht mehr auf dem Sattel zu sitzen. 

 

Zuerst quert man nördlich des Massivs ohne viel Höhengewinn zum Raneck (954m). 

 

13:10 Uhr, Affenhitze. Weiter auf einem Forstweg mit etwas auf und ab hinüber zum Ansatzpunkt des nun erstmals sichtbaren Rauhen Kamms. Über den bewaldeten Rücken führt der Steig hinauf. 

 Hier beginnt auch der Naturpark Ötscher-Tormäuer, mit 3€ Eintritt an den Spendenkassen bei den Naturparkeingängen beteiligt man sich an der Wegeerhaltung.

 

13:40 Uhr: endlich bei der Bärenlacke (948m), ab hier beginnt der "alpine Steig". 

 

Und die Wadeln brennen. Der Steig zieht über 600 steile Höhenmeter hinauf zum Kamm - Zeit um über die Sinnhaftigkeit solcher Aktionen zu sinnieren. 

 

Dazwischen ereilt mich das obligatorische Tief. Langsam weicht die Schwüle aber der gekühlten Bergluft. 

 

Blicke werden frei, wie hier nach Osten in die Ybbstaler und Türnitzer Alpen. 

 

Knapp vor 15:00 erreiche ich den Rücken unterhalb des Rauhen Kamms. Die von hier erstmals einsehbare südliche Flanke des Ötscher ist wesentlich schroffer und felsiger. 

 

Blick nach Süden, rechts die Gemeindealpe (1.626m), links dahinter zeichnet sich die Hohe Veitsch (1.981m) ab, der höchste Berg der Mürzsteger Alpen, die schon großteils auf steirischem Landesgebiet liegen. Im Vordergrund liegen die bekannten "Ötschergräben" und "Tormäuer", ein rund 20 km langes mit Wanderwegen erschlossenes Schluchtensystem. 

 

15:05 Uhr, km 135, 1.530m: nach etwas über 10 Stunden Tourenzeit prägt sich der Rauhe Kamm aus. 

 

Bei klarer Fernsicht könnte man im Norden das Donautal und die Höhenzüge des Waldviertels erkennen. So reicht der Blick aber nur bis ins Alpenvorland. Scheibbs, in dem ich 5h zuvor war, ist im Dunst zu erahnen. 

 

So sanft die umliegenden Berge sind, der Rauhe Kamm auf den Ötscher hat alpinen Charakter (Info von bergsteigen.com hier). Besonders im Winter kann der Ostgrat eine ernste Unternehmung sein. Ich habe beste, trockene Verhältnisse und kann mich neben den brennenden Wadeln auch mit den umliegenden Gipfeln beschäftigen.

  

Die ersten Felsköpfe werden auf gutem Steig nordseitig umgangen, dann eine leichte felsige Passage (I-).

 

Ein schöner Anblick, zu Recht als einer der lohnendsten Grate Niederösterreichs bezeichnet. 

 

So wird die letzte Stunde hinauf zum Gipfel zu einem tollen Erlebnis. 

 

Bestens markierter Aufschwung (I+). 

 

Karwendel-Ambiente in Niederösterreich. 

 

Diese Stelle kratzt schon am II. Grad.

 

Der von unten sichtbare größte Gratabsatz kann unschwierig über schrofige Felsstufen begangen werden. 

 

Kurz wird der Grat etwas schmäler. Zwei Entgegenkommende sind oben im Gegenanstieg zu sehen. 

 

 

Die anspruchsvollste Stelle, offiziell II-, mit markiertem Haken. Direkt für mich ein klarer IIer, dürfte seitlich umgangbar sein. 

 

Die letzten schrofig-steilen Meter (I+). 

 

Rückblick auf den Rauhen Kamm - Belohnung für die Mühen des Tages.

 

15:55 Uhr, am kreuzlosen Ostgipfel des Ötschers. Hier befindet sich auch das offizielle Gipfelbuch.

 

Die letzten Minuten sind auf einfachem Steig über das Plateau zum Hauptgipfel (links oben) zu absolvieren. Rechts der Taubenstein (1.848m).

 

Die Wetterprognose hält, die Endorphine schießen ein.

 

Punkt 16:00 - da ist das Ding! Am Gipfel des Gr. Ötscher (1.893m). 11 Stunden nach Aufbruch in Zwettl.

 

Es heißt ja: "Wer noch nie am Ötscher-Gipfel gestanden ist, hat Niederösterreich nicht gesehen." In der Tat sind mir die Niederösterreichischen Alpen, de facto ja als östliche Ausläufer der Nördlichen Kalkalpen mit "meinem" Karwendel verwandt, bisher gänzlich unbekannt. Im Westen links der Dürrenstein (1.878m), mittig der Scheiblingstein (1.622m). 

 

Beim Blick nach Norden lasse ich die bisherige Tour Revue passieren. Schon lässig, was man so alles innerhalb eines halben Tages anstellen kann.

 

Da mein Begleitteam beim Ötscherschutzhaus wartet, nehme ich nach ca. 15 Minuten Rast die allerletzte Etappe in Angriff, die 1.000 Höhenmeter Abstieg nach Lackenhof. 

 

Den berühmten "Ötscher-Penis" lasse ich mir natürlich nicht entgehen. Ein (Bier-)Brunnen wär mir aber lieber gewesen. 

 

Am Plateau abwärts, vorne der mit einer Piste erschlossene Kleine Ötscher (1.552m). Ich biege dank eines alten Tracks rechts ins Gestrüpp ab, eher nicht empfehlenswert. 

 

Beim Ötscherschutzhaus (1.418m) treffen wir wie verabredet zusammen. Wegen unerwartetem Ruhetag müssen wir das Weizenbier ins Tal verlegen. 

 

Wir steigen entlang der Piste ins Tal ab. 

 

17:35 Uhr, km 142, das war's, was für ein Tag!

 

Jetzt aber! Anstoßen mit Bruderherz. 12:35 Stunden Brutto-Tourenzeit, davon etwa 60 Minuten Pausen, da braucht man schon etwas "Tankfüllung". Und vor allem bin ich froh um Vaters Taxi, das uns in 2h Autofahrt wieder zurück nach Zwettl bringt - danke für die Unterstützung! 

 


Kommentar schreiben

Kommentare: 4
  • #1

    Josef (Montag, 30 Juli 2018 22:28)

    Man erkennt in deiner Erzählung deine Waldviertler Wurzeln. Jedenfalls ein Wahnsinns Tagespensum. Die anschließende "Nachbesprechung" in der Gartenlaube hast du auch bravourös bestanden!

  • #2

    Karwendelhexe (Dienstag, 31 Juli 2018 08:59)

    Traumhaft!!!! Bei diesen Bildern und Beschreibungen macht mein Herz Purzelbäume

  • #3

    w.w. (Mittwoch, 01 August 2018 17:11)

    Bin sehr stolz das du es geschafft hast und gut wieder zu hause angekommen bist.

  • #4

    Vincent (Donnerstag, 11 Juni 2020 21:16)

    Tolle Tour, toller Bericht!