Piz Boé / Eisseespitze / l'Antersass / Cima Pisciadú 

3152 / 3009 / 2908 / 2985 Meter

Sella / Dolomiten

11. August 2020

Autor: Jürgen

 

Beschreibung:

Durchquerung der Sellagruppe mit Besuch des Piz Boé, der als "leichtester Dreitausender" der Dolomiten gilt: vom Grödnerjoch (2.121m) entlang der Nordseite des Sellastocks zum Eingang des Mittagstals / Val de Mesdi (2.020m). Durch dieses aufwärts und auf dem offiziell nicht mehr gewarteten Steig Nr. 651 zur Steilrinne und zum Ausstieg nahe der Boé-Hütte (2.873m). Nördlich um den Piz Boé herum zuerst zu Eisseespitze (3.009m) und anschließend von Nordost auf den Piz Boé (3.152m). Abstieg Nordwest, weiter zum Zwischenkofel/l'Antersass (2.908m) sowie im Auf und Ab über die weite Hochfläche. Abstieg ins Val di Tita (2.820m) und über die Südflanke auf die Cima Pisciadú (2.985m). Weiterer Abstieg hinab zur Pisciadú-Hütte (2.585m) und Weg 666 zum Grödner Joch.

 

Schwierigkeitsgrad: schwierig (T4/II). Die Einstufung bezieht sich auf den Durchstieg der Steilrinne im Mittagstal. Die Ersteigung der übrigen Gipfel ist wenig schwierig (T3), teilweise versichert. Cima Pisciadú ist etwas anspruchsvoller (T4/I). Nicht zu unterschätzen sind die klettersteigartig versicherten steilen Steige von der Hochfläche hinunter zum Grödner Joch.

 

Dauer: 7 Stunden

Höhenmeter: 1.970 Meter

 

Parkplatz:

Grödner Joch (direkt am Joch gebührenpflichtig, unterhalb viele Parkbuchten).

 

Einkehrmöglichkeiten:

Rif. Pisciadú; Rif. Boé zum Zeitpunkt der Begehung im Umbau begriffen
 

Landschaft: ********** (10/10)

Kondition:       ******** (8/10)

Anspruch:            ****** (6/10)



Wenn das nicht die Höchstnote verdient? Dolomiten-Landschaft wie aus dem Bilderbuch in der Sellagruppe beim Blick über das Mittagstal hinaus nach Corvara. Kalkfels, 18 Kilometer, 4 Gipfel - ein Vormittag ganz nach meinem Geschmack.

 

6 Uhr morgens, Grödnerjoch (2.121m). Mich empfängt ein grandioser Sonnenaufgang am Langkofel.

 

Trotz Hochsaison stehen um diese Uhrzeit nur ein paar Wohnwägen herum. Ein paar Gestalten sehe ich auch auf der Gr. Cirspitze (2.592m, halbrechts) und der mit einem Klettersteig erschlossenen Kl. Cirspitze / Cir V (2.520m, mittig).

 

Nach minimalem Anstieg folge ich Weg Nr. 666, später Nr. 29 in östlicher Richtung.

  

Diverse Hinweise machen klar, dass Weg 651 durch das Mittagstal mit höheren Anforderungen aufwartet.

 

Mystisch.

 

Durch diese Wand zieht der Pisciadú-Klettersteig (C), einer der populärsten Klettersteige der Dolomiten. Am frühen Morgen sind schon einige kleine Grüppchen unterwegs.

 

Nach etwas Höhenverlust biege ich ins Mittagstal / Val di Mesdi auf Weg Nr. 651 ein. Das Tal ist vor allem bei Skitourern sehr beliebt. Den Abzweig zur Pisciadú-Hütte lasse ich rechts liegen, der weitere Steig durch das Tal ist deutlich schwächer ausgeprägt und die Markierungen zunehmend verblasst. Lt. Wikipedia wird dieser Steig seit 2019 nicht mehr gewartet.

 

Etwa 1h brauche ich für das lange Mittagstal und die rund 700 Höhenmeter bis zum Ansatz der Steilrinne. Ich habe Spikes und Pickel eingepackt, ideal für den Durchstieg. 

 

Am Anfang dachte ich, dass ich am im Aufstiegssinn linken Rand easy raufklettern kann. Die Kletterei an sich ist nicht schwierig (II), Ausgesetztheit und vor allem Brüchigkeit des Geländes waren aber nicht so lustig. Wenn man hier oder auch in der Rinne einen Abgang macht kommt man erst sehr weit unten zu liegen. Daher ... 

  

... sobald möglich wieder rein in die Rinne und mit Pickel im Firn sicher aufgestiegen. Dachte schon, dass es Mitte August hier Begehungsspuren gibt, es war aber nichts davon zu sehen.

 

Am oberen Ausstieg (2.870m). Alte Drahtseile und kaputte Warnschilder liegen herum. Fazit: für den Aufstieg mit geeignetem Equipment ok, von einem Abstieg bei Hartschnee abzuraten.

 

Wieder umgepackt und hinein in den Genussteil. Vor mir rechts bereits die Nordwände des Piz Boé. Ich halte mich links unterhalb aufwärts zur bereits sichtbaren Eisseespitze.

 

Bech de Mesdi (2.962m) und Dent de Mesdi (2.881m) - ein Traum!

 

Mit jedem Schritt höher eröffnet sich die unglaubliche Hochfläche der Sella.

  

Interessante Graupelformen durch den Niederschlag am Vorabend.

 

Am Sattel zwischen Piz Boé und Eisseespitze empfangen mich die Geier. Oder doch nur Raben? 

   

Nur wenige Minuten herüber zur Eisseespitze (3.009m), dem ersten Gipfel heute. Es ist etwas nach 9 Uhr und ich liege in der Zeit, denn ich will rechtzeitig auf dem Gipfel des Piz Boé sein bevor die Massen vom Pordoijoch herüberkommen. 

 

Grandioser Dolomiten-Tag.  

 

Allzu lang halte ich mich nicht auf, der Piz Boé ist nicht fern.

 

Der Nordost-Grat fordert kaum. Ein paar Versicherungen, die aber gar nicht nötig wären. 

 

9:30 Uhr, die Karawane herüber vom Pordoijoch ist noch in ausreichend weiter Ferne. Am Gipfel erwartet mich die kleine Schutzhütte und ein überdimensionierter Reflektor. 

 

 In die richtige Richtung geschaut und zur richtigen Tageszeit ist es aber ein sehr feiner Gipfel. Und mit 3.152m ja auch nicht irgendeiner.

 

Hinter mir könnte man sich mit Kaffee und Kuchen laben. Oder man machts wie die 4 Italienischen Jungmänner, die sich um 9:30 Uhr schon mit Hopfen vergnügen. Im Radio läuft "Simon & Garfunkel" - zwar nicht einsam, aber alles sehr entspannt.

 

Famos, dieser Dolomiten-Rundumblick. Gipfel für ein Dutzend Bergsteigerleben.

 

Sofern man keinen Anfall bekommt.

 

Alles was jetzt noch kommt ist Zugabe. Das im rechten Bildteil versteckte Mittagstal will ich nicht absteigen, daher halte ich mich links über die Hochfläche. 

 

Die Horde vom Pordoijoch ist im Anmarsch. Ab spätestens 10:30 Uhr ist hier am Gipfel Halligalli pur.

 

Runter Richtung Nordwest, für flüssigen Verkehr sorgt eine Einbahnregelung. 

 

Gleich wieder bei der Boe-Hüttenbaustelle. Mein weiterer Weg führt über den kleinen Buckel rechts hinter der Hütte (Zwischenkofel/l'Antersass) und dann weiter nordwärts. 

 

Zwischenkofel / l'Antersass, 2.908m.

 

Val di Fassa, umrahmt von unzähligen Dolomitengipfeln. Unglaublich schön, und deswegen im August untertags nur mit viel Geduld befahrbar.

 

Öde Weiten gehen über in senkrechten Fels, das ist die Sella.

 

Bei Nebel könnte man hier unrund werden. 

 

Ein unwirklicher Platz. Rückblick auf den kleinen Zwischenkofel, dahinter Piz Boé und links davon die Eisseespitze.

 

Die ersten Pflanzen seit vielen Stunden.

 

Piz Miara (2.964m) vor dem Langkofel (3.181m), dazwischen liegt das Sellajoch.

 

Abstieg durch das Val di Tita, vor mir baut sich der Cima Pisciadú auf. Dieser bildet für viele Hüttengeher oder auch die Begeher des Klettersteigs das Gipfelziel. Anfangs fragt man sich, wo man da ohne größere Schwierigkeiten raufkommen soll.

 

Je näher man kommt, desto mehr legt sich die gestufte Südflanke zurück.

 

Leichte Kraxelei (I) über knapp 200 Höhenmeter.

 

Cima Pisciadú (2.985m), Gipfel Nr. 4 und mit prächtiger Aussicht.

 

Abstieg mit Blick über das Mittagstal hinüber zum Boé.

 

Gestuftes Abstiegsgelände.

 

Weiter hinab über teilweise versichertes Steilgelände.

 

Zum malerischen Pisciad´u-See mit Hütte. 

 

 666 - the number of the hiking beast. 

 

Beeindruckend gelegene Pisciadú-Hütte (2.595m). Das sind schon gewaltige Landschaften hier.

 

Jetzt gilt es die letzten Steilwände zu überwinden.

 

Der Steig entpuppt sich als Beinahe-Klettersteig. Hier spielten sich bei einigen schwindelanfälligen Wanderern kleinere Dramen ab. Der Steig ist KEIN einfacher Wanderweg.

 

Für Geübte aber ohne Schwierigkeiten.

 

Die Runde neigt sich dem Ende zu. Es bleibt landschaftlich herausragend bis zuletzt.

Als Abschluss wartet die Gala-Wanderung im Angesicht der Cir-Spitzen zurück zum Joch. Einfach zusammengefasst: 17,5 Kilometer in atemberaubender Dolomiten-Kulisse.

 


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Kommentare: 2
  • #1

    W.w. (Samstag, 03 Oktober 2020 08:50)

    Herrliche Bilder fantastische Landschaften aber dazu gehört auch gute Kondition um so was schönes zu erleben .

  • #2

    Joe (Sonntag, 04 Oktober 2020 17:43)

    Grandios! Nur einer, der bestens vorbereitet und mit offenen Augen unterwegs ist, kann solche Eindrücke in passende Worte fassen.